Kommentar

Autonomes Fahren: Wie versichert man eine KI?

Autonomes Fahren ist nicht in erster Linie eine Frage der Technik sondern der Versicherung. Das wird aber von der Politik nicht thematisiert.
Autonomes Fahren ist nicht in erster Linie eine Frage der Technik sondern der Versicherung. Das wird aber von der Politik nicht thematisiert. Foto: pixabay/falco

Autonomes Fahren als Ergänzung des ÖPNV in Berlin: Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) hat diesbezüglich gerade kräftig die Werbetrommel gerührt – die wichtigste Frage aber gewohnheitsmäßig wieder einmal nicht gestellt.

Sie sehe Chancen und Handlungsbedarf äußerte sie in einem Statement der Deutschen Presse-Agentur gegenüber. Berlin spiele bei der Forschung und Entwicklung zu autonomem Fahren „vorne mit“ und stehe „lediglich“ bei der Nutzung der Technologien noch „relativ am Anfang“. Weshalb man sich „auf jeden Fall“ mit dem Thema beschäftigen müsse. Was sich für Giffey vorerst in Form von Gesprächen erledigt hat, die sie „als BVG-Aufsichtsratsvorsitzende“ mit dem künftigen BVG-Chef Henrik Falk geführt habe. Im Januar soll Falk nach Berlin kommen. Bei der Hamburger Hochbahn AG habe er sich bereits mit autonomem Fahren beschäftigt. Er bringe „entsprechende Erfahrung“ aus einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit, das 2019 bis 2021 in der Hansestadt gelaufen sei.

Autonomes Fahren soll Individualverkehr verdrängen

Autonome Angebote sollen den Berlinern dennoch vorerst nicht gemacht werden – nach Angaben Giffeys höchstens dort, wo Bus und Bahn nicht hinkommen. In Stadtquartieren wie der „Urban Tech Republic“ oder dem neuen „Schumacher-Quartier“ winkt die Autonomie des Fahrzeugs nach Giffeys Vorstellung aber schon am Horizont. In der „Stadt der Zukunft“ sollen schließlich möglichst wenig Privatautos unterwegs sein, und anderswo sei die Autonomie des Fahrzeugs schließlich schon Alltag. Witzig: Man müsse auch akzeptieren, so Giffey, dass es Leute gäbe, die nicht mit klassischen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können oder wollen – und genau für diese Menschen könne autonomes Fahren eine Alternative sein. Was für Menschen das sein sollen, verlautbarte Giffey bislang nicht. Die Frage erscheint aber durchaus interessant: Wer könnte sich von einem Bus oder einer Bahn nur dann befördern lassen wollen (oder können), wenn der Bus oder die Bahn autonom fahren?

Man stelle sich das vor, an der Haltestelle oder beim Ticketkauf: „Ich fahre nur mit einem autonomen Fahrzeug mit.“ Da will einem glatt ein „dann bleib, wo du bist“ aus dem Gesicht fallen.

Die relevanteste und interessanteste Frage von allen ist dennoch eine andere: Wer versichert die Entscheidungen, die ein autonomes Fahrzeug – also eine KI – im Rahmen autonomen Fahrens trifft? Die Maxime, dass beispielsweise für Wildtiere nicht gebremst werden soll, wenn und weil daraus weitergehende Risiken und Schäden im Straßenverkehr resultieren könnten, hat sich bereits durchgesetzt. Was aber, wenn die KI beispielsweise „entscheidet“, ein Kind zu überfahren, weil der messbare, bezifferbare bzw. wirtschaftliche Schaden – andere Schäden kennen künstliche „Intelligenzen“ nicht – dann geringer ausfällt als dann, wenn für das Kind gebremst wird? Was ist ein Leben wert und was wird welchen anderen Werten gegengerechnet? In der Fiktion ist alles einfach: Wenn’s tot ist, ist’s am billigsten, dann kostet es weder „Ausgleich“ noch „Unterhalt“.

Bisher haftet der Fahrer

Bislang haben die Verantwortlichen nur eine Lösung für die Haftungsfrage: Der „Fahrer“ eines teil- oder vollautonomen Fahrzeugs muss sich ständig bereithalten, um in das Fahrgeschehen eingreifen zu können. Die Gründe dafür sind rein versicherungstechnischer Natur. Denn wenn den Fahrer diese Pflicht trifft, haftet er – auch für das „Fehlverhalten“ der KI, denn die kann sich schließlich nicht fehlverhalten, wenn der „Fahrer“ ständig eingriffsbereit ist (= zu sein hat). Man darf gespannt sein, wie Giffey und andere die Haftungsfrage in ihrer „Urban Tech Republic“ zu klären gedenken – oder ob am Ende der Erwerb eines Fahrscheins das konkludente Einverständnis darstellt, für Schäden infolge künstlich intelligenten Fehlverhaltens als Fahrgast selbst aufzukommen.

Wenn die Fahrer nicht bereit sind, die Haftung zu übernehmen, wenn den ersten die Versicherungen platzen oder eine „Berufshaftpflichtversicherung“ für Fahrpersonal so teuer wird, dass sich sowas keiner mehr leisten kann oder will (die Situation der Hebammen in Deutschland darf durchaus für eine beispielhafte Entwicklung im Allgemeinen herangezogen werden), werden große Träume vielleicht nicht dahin gehen. Immerhin kosten Forschung und Entwicklung in Sachen Autonomie der Fahrzeuge jede Menge Geld. Und wirtschaftlichen Aufschwung braucht das Land.

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