Technik

Digitales Cockpit bei MAN- & Neoplanbussen: Was ist neu?

Digitales Cockpit und Kollisionswarner.

Die Busworld hat offiziell noch gar nicht angefangen, da macht es schon Schlagzeilen: ein digitales Cockpit bei MAN- & Neoplanbussen. Auf den derzeitigen Vor-Pressekonferenzen staunen die Journalisten – aber es gibt einen Insider, der hat das schonmal gesehen.

Begeisterungswürdig ist es auf jeden Fall, das digitale Cockpit. Wer Spaß daran hat, „große Autos“ zu fahren, wird es vielleicht sogar mehr als „Spielplatz“, denn als Fahrerarbeitsplatz wahrnehmen. Dass MAN überhaupt auf ein digitales Cockpit umstellt, ist der neuen Elektronik-Plattform geschuldet, die in alle MAN- und Neoplanbusse Einzug hält, ganz gleich, ob es sich dabei um Stadt-, Überland- oder Reisebusse handelt. In den Stadt- und Überlandbussen behält die Marke mit dem Löwen allerdings das bisherige Cockpit bei. Reisebusfahrer können sich hingegen auf ein komplett neues Cockpit freuen.

Obwohl – ganz so neu ist das Cockpit dann doch nicht, wie ein aufmerksamer Leser des Facebook-Kanals von Bustester Sascha Böhnke festgestellt hat. „Sieht für mich so aus, als ob sie einfach den Arbeitsplatz vom Lkw da reinzimmern“, schrieb er in die Kommentare. Und tatsächlich: das digitale Cockpit der künftigen Reisebusse aus dem Hause MAN und Neoplan hat auffallende Ähnlichkeit mit dem Cockpit der neuen MAN Lkw-Generation: die guten Stücke firmieren unter „MAN TGX“ und wurden bereits Anfang 2020 vorgestellt. Laut Hersteller versprechen sie „absolute High-Performance“ – und im Bus dem Busfahrer ein Fahrerlebnis nie dagewesener Art.

Digitales Cockpit im MAN Lion's Coach links im Bild - rechts das bereits im Jahr 2020 vorgestellte digitale Cockpit der neuen Generation der MAN TGX Lkw.
Digitales Cockpit im MAN Lion’s Coach links im Bild – rechts das bereits im Jahr 2020 vorgestellte digitale Cockpit der neuen Generation der MAN TGX Lkw. Fotos: MAN

Digitales Cockpit: „ein Fahrerarbeitsplatz, der höchsten ergonomischen Ansprüchen genügt“

Die Mittelkonsole hat es geschafft, erhalten zu werden, ist aber jetzt zum Boden hin offen, damit der Fahrer mehr Bewegungsfreiheit genießen kann. Außerdem hat MAN das Infotainment-System MMC Advanced inklusive Navi integriert und mit einer Handballenauflage ausgestattet. Unmittelbar darüber kann der Fahrer die Tasten für Tür- und Klappenöffnung und den Warnblinker erreichen. Sechs programmierbare Schnellzugrifftasten ermöglichen die Steuerung des neuen Klimacenters. Die Tasten sind keine Kippschalter mehr – es genügt, wenn der Fahrer sie einmalig antippt. Was „an“ ist, leuchtet und verhindert, dass der Buspilot es übersieht oder vergisst. Dennoch hat MAN darauf geachtet, im direkten Sichtfeld des Fahrers nur solche Informationen und Schalter zu platzieren, die er im unmittelbaren Fahrgeschehen im Wesentlichen auch braucht und nutzt. Der Hersteller will so verhindern, dass die smarte Technik den Fahrer nicht vom Fahren ablenkt.

Außerdem kommt das digitale Cockpit der künftigen MAN- und Neoplanbusse mit einem 7-Zoll-Multimedia-Monitor und jeder Menge Ablageflächen und -fächern daher. Frische Luft liefern zwei große Luftdüsen, ein doppelter Becherhalter gewährt Raum für den Kaffee und das Wasser. Das Lenkrad lässt sich mehrfach verstellen und verfügt über ein neues Gelenk. Es ermöglicht, das Volant über den Armaturenträger maximal nach vorn zu klappen. MAN will damit die Pausen für den Fahrer komfortabler gestalten oder auch das Aussteigen erleichtern.

Digitales Cockpit im Mäusekino: “FullScreen”

Als Highlight nennt MAN den digitalen, in der Diagonale zwölf Zoll messenden Farb-Bildschirm, der gegenüber seinem Vorgänger über die doppelte Anzeigefläche verfügt, mit HD-Auflösung daherkommt und in der Helligkeit individuell angepasst werden kann. Das Display liefert eine „Full Screen“-Ansicht mit großen Symbolen in 3D-Optik jeweils einer Wechselanzeige rechts und links neben dem Zentraldisplay zum Wählen. Die seitlich platzierten Informationen schieben sich von außen nach innen ins zentrale Blickfeld des Fahrers. Mehrere Informationen kann er sich so parallel anzeigen lassen. Im Falle eines „Ereignisses“ schiebt das System dieses in den Vordergrund und verhindert, dass Störungen übersehen werden. Ein neuer Ethernet-Anschluss erlaubt, das Display bei Bedarf um neue Funktionen zu erweitern – die Entwicklung steht schließlich nicht still.

SmartSelect

Erstmals verbaut MAN den als „Dreh-Drück-Steller“ bezeichneten „SmartSelect Bedienknopf“ in einem Bus. Mit der Erfindung begegnet MAN dem Problem, das Berufskraftfahrer einen Touchscreen während der Fahrt nur schwer bedienen können, weil der Fahrersitz dann “schwingt”. Für noch mehr Stabilität verfügt der Bedienknopf auch noch über eine Handballenauflage. In der Pressemitteilung heißt es:

„Das Prinzip dazu lautet: „Intuitiv, einfach und ablenkungsarm.“ Die intelligente SmartSelect-Bedieneinheit verfügt über drei wesentliche Elemente: ein unterer, großer Drehring, über den in der Menüebene navigiert wird. Darüber befindet sich der kleinere Dreh-Drücksteller, mit dem einzelne Menüs und individuelle Funktionen ausgewählt werden können. Beide Ringe sind nachts der besseren Sichtbarkeit halber rundum beleuchtet. Der Clou ist jedoch das obere Touch Pad, mit dem alphanumerische Zeichen ganz einfach eingegeben werden können, so zum Beispiel in der Navigation, die bei den Reisebussen immer mit SmartSelect gekoppelt ist. Das System ist ein absolutes Novum im Busbereich, das sonst nur aus Oberklasse-Limousinen bekannt ist.“

Weitere Features

Neben bereits angesprochenen neuen Multifunktionslenkrad und einem neuen Klimacenter haben auch das digitale Spiegelsystem OptiView und erweiterte Assistenz- und Sicherheitsfeatures die Verknüpfung mit dem digitalen Cockpit gefunden. Für MAN selber zählt zu den bedeutendsten Weiterentwicklungen eine radargestützte Abbiegehilfe für die unübersichtliche rechte Bus-Seite. MAN-Kunden können diese mit einer optionalen Spurwechselhilfe auf beiden Seiten kombinieren. Die neue Abbiegehilfe aktiviert sich selbst bis zu einer Geschwindigkeit von unter 30 km/h und erkennt nicht nur statische Objekte. Sie berechnet auch potenzielle Bewegungspfade der Objekte voraus. Die Objekte als solche können bis zu 4,5 Meter weit vom Bus entfernt sein. An Bord ist außerdem das elektronisch unterstützte Lenksystem MAN ComfortSteering und neue Hardware, die einen Kollisionswarner und einen Notbremsassistent EBA+ mit Fußgängererkennung ermöglicht. Weiters darf sich der Fahrer freuen über folgende Einrichtungen:

  • Abstandsgeregelter Tempomat ACC und Stauassistent
  • Aufmerksamkeitsassistent AttentionGuard
  • Alkolock-Vorbereitung und Alkolock Startsperrsystem Advanced
  • Automatische Fahrlichtschaltung und Fernlichtassistent
  • Verkehrszeichenerkennung
  • Reifendrucküberwachung (TPMS)
  • Gurtwarner und Rückfahrkamera

Eine weitere Neuheit, die MAN mit der neuen Elektronikplattform in seine Busse integriert, ist das neue Luftfedersystem „Vehicle Air Suspension Control“ (VACS). Es löst das bisherige ECAS ab. Im Vergleich zum bisherigen ECAS-System kommt die VASC-Luftfederung mit weniger Komponenten aus und erlaubt eine einfachere Verkabelung. Die Entwickler haben im System ein Magnetventilblock mit integriertem Drucksensor (SPA-Modul – „Smart Pneumatic Actuator“) gegen die bislang eingesetzten separaten Magnetventile und Drucksensoren getauscht. Da das SPA-Modul direkt mit der auf dem eigenen Steuergerät installierten Steuersoftware kommuniziert, ist keine externe Steuereinheit mehr erforderlich.

Die neue Elektronikplattform ermöglichte außerdem die Einführung des ebenfalls neuen elektronischen Bremssystems EBS9. Als Highlight verweist MAN diesbezüglich auf eine elektronische Feststellbremse, die die bisherige manuell-pneumatische Federspeicherbremse durch ein „Brake-by-Wire“-System ersetzt. Es gilt unternehmensintern als sicherer und soll auch bei Luftverlust oder nicht vorhandener Stromspannung funktionieren.

Digitales Cockpit & Motorisierung

Diesbezüglich liefert MAN ein Update für seine Reisebusmotoren und MAN EfficientCruise. So verfügt der neue MAN D26-Reisebusmotor in Euro 6e-Abgasqualität nun über zusätzliche zehn PS und rund 50 Newtonmeter mehr Drehmoment in der Spitze, verbraucht mit seinem 12,4-Liter-Aggregat aber bis zu 2,5 Prozent weniger Kraftstoff. Die Weiterentwicklung basiert laut MAN auf einer Vielzahl innermotorischer Maßnahmen, darunter überarbeitete Turbolader, eine bedarfsgerecht gesteuerte Kühlmittelpumpe und neuartige Verbrennungsmulden im Kolben. Die Leistungsdaten:

Einstiegsmotorisierung: 323 kW / 440 PS bei 1.800 min-1 und 2.250 Nm bei 930–1.350 min-1; kein B100 Betrieb, HVO tauglich; MAN TipMatic oder Ecolife Coach2, Serie bei Zweiachser

Mittlere Motorisierung: 345 kW / 470 PS bei 1.800 min-1 und 2.450 Nm bei 930–1.350 min-1; optionaler B100 Betrieb, HVO tauglich;  MAN TipMatic oder Ecolife Coach2; Serie bei Dreiachser,
Option bei Zweiachser

Spitzenmotorisierung: 382 kW / 520 PS bei 1.800 min-1 und 2.650 Nm bei 930–1.350 min-1, optionaler B100 Betrieb, HVO tauglich, MAN TipMatic; Serie NEOPLAN Skyliner, Option bei Dreiachser

Alle D26-Motoren können mit HVO („Hydrotreated Vegetable Oils“), die beiden stärksten Varianten optional auch mit Biodiesel B100 (nach EN 14214) betrieben werden. MAN rechnet damit, dass vor allem der HVO-Einsatz auch für private Busunternehmen immer interessanter wird, wenn die bisher insbesondere in Deutschland geltenden gesetzlichen Beschränkungen fallen.

Sämtliche Fotos: MAN

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