Technik

Setra mischt das Land auf

Trailer der neuen MultiClass LE

Diese Überlandbusse polarisieren. Setra hat seiner MultiClass mehr als nur eine Frischzellenkur verpasst. Die Setra MultiClass LE dürfen sich nun auch endlich mit der Baureihenbezeichnung 500 schmücken. Und zwar zu Recht.

Die neue MultiClass LE-Baureihe dürfte auf der diesjährigen Busworld im Oktober in Brüssel mit Sicherheit ein Höhepunkt am Setra-Stand werden. Natürlich, die beiden Reisebusse TopClass 500 und ComfortClass 500 sind auch echte Kracher, aber der LE ist eben der jüngste Spross aus Neu-Ulm. Wobei – gefertigt wird der Bus in der Türkei im Daimler-Buswerk in Hosdere bei Istanbul.

Dass der Bus auffallen würde, war bereits klar, als im Netz die ersten Grafiken bzw. Computer-Renderings auftauchten. Ja, ein Bus ist ein Bus und bleibt am Ende immer ein Bus – im Grunde ein langer, eckiger Kasten. Was man aus so einem Kasten allerdings macht, bestimmt meist der Designer. Und der hat sich im aktuellen Fall ordentlich austoben dürfen. “Hilfe, wie sieht denn DER aus”, lauten einige Meinungen, während andere schwärmen: “Wow, Setra traut sich, einen Hingucker zu entwerfen.” Wer den Bus einmal in Echt gesehen hat, wird sofort verstehen, weshalb das Design funktionieren wird. Im vorderen Bereich ist es ein typischer, moderner, geradliniger Kandidate, ab der zweiten Tür wird’s dann interessant. Die Fenster sind in Rundungen eingefasst, ein wenig erinnert das Ganze an Designsprachen vergangener Zeiten. Rund, aber klar, geometrisch. Die Bauhaus-Architektur hätte Pate stehen können und das betont Setra auch immer wieder. Aber schauen Sie selbst:

Ein Setra MultiClass 500 LE, dahinter das berühmte Le Corbusier-Haus, welches zur Weißenhof-Siedlung in Stuttgart gehört. C: Daimler Truck AG

Also, über Geschmack lässt sich bekanntlich (nicht) streiten und deswegen geht es nun nach Innen. Die MultiClass wird es nur noch als Low Entry geben, die Setra-Hochbodenbusse sind Geschichte. Den Part übernimmt künftig die Schwestermarke Mercedes-Benz mit den Intouro-Bussen. Eigentlich schade, denn wer Setra-Fan ist, der möchte natürlich seinen Fuhrpark möglichst mit nur einer Marke bestücken. Andererseits – nichts ist so beständig wie der Wandel. Und so kann Setra nun die ganze Kraft in die LE-Baureihe stecken.

Die Basis ist ein Baukastensystem, wodurch sich sämtliche Modellvarianten in einigen Punkten gleichen. Das gilt sowohl für den vorderen Überhang von 2.710 Millimetern als auch den hinteren Überhang mit 3.300 Millimetern. Einzig der Radstand und die Zahl der Achsen variieren. Daraus resultiert ein Modellprogramm mit vier Längen.

  • MultiClass S 510 LE: der neue Kompakt-Überlandbus. Mit nur 4.500 Millimeter Radstand und 10,51 Meter Länge sowie einem Wendekreis von gerade einmal 17,3 Metern und maximal 39 Sitzplätzen bei voller Bestuhlung eignet sich der handliche Kompaktbus für enge bergige Strecken, kurvige Passstraßen, aber auch enge Altstädte oder Linien mit geringem Fahrgastaufkommen.
  • MultiClass S 515 LE: Mit 12,21 Meter Länge, zwei Achsen und bis zu 51 Sitzplätzen ist er der Low Entry im klassischen Format.
  • MultiClass S 516 LE: 12,92 Meter Länge und zwei Achsen, das bedeutet maximal 55 Sitzplätze und somit ebenfalls eine hohe Wirtschaftlichkeit als Überlandbus, Shuttle und Schulbus sowie im Werksverkehr.
  • MultiClass S 518 LE: Mit bis zu 63 Sitzplätzen ist er der Sitzriese im Segment der Low Entrys. Der längste Setra der neuen Baureihe fährt mit 14,52 Meter Länge auf drei Achsen. Hoch frequentierte Linien und Schülereinsätze sowie weite Überlandstrecken sind sein Metier.

Übrigens, der kurze LE sieht ein wenig wie ein Modellfahrzeug aus, denn seine Maße wirken ungewöhnlich, oder?

Setra S 510 LE, der “Knirps” C: Daimler Truck AG

Der Fahrgastraum wirkt übersichtlich und aufgeräumt. Ja, ein LE hat immer das Problem, dass die Deckenhöhe im vorderen Niederflurbereich enorm wirkt. Dafür ist viel Platz für Gepäckablagen. Den LE kann man als Unternehmer in den unterschiedlichsten Konfigurationen bestellen. Als Überlandorientierten Bus mit vielen (bequemen) Sitzen oder als Stadtorientierten Bus mit weniger Plätzen und dafür aber mehr Raum für Kinderwagen oder Rollstühle oder als Mischwesen. Geordert werden kann, was gebraucht wird, sagt Setra. Die Verarbeitung wirkt gut, auch wenn einige offen liegende Schraubenköpfe für einen Setra ungewöhnlich erscheinen mögen, ins Konzept passt das aber.

Die Stadtorientierte Version, Gepäckablagen gibt es beim gezeigten Bus nicht. C: Daimler Truck AG
Die Überlandorientierte Version, hier dominieren komfortable Sitze. C: Daimler Truck AG

Wie wohl aber kann sich eigentlich der Fahrer fühlen? In Sachen Cockpitbereich hat sich Setra nicht lumpen lassen. Es gibt auch hier mehrere Varianten von einfach bis edel, von Stadtbus- bis hin zur Reisebusanmutung. Fester Instrumententräger vs. bewglichen, an die VDV-Norm angelehnte Fassung. Bei der Vorstellung der Busse im Spätsommer 2023 waren noch klassische Spiegel verbaut, die wird es auch weiterhin geben, zusätzlich aber auch ab 2024 Kamera-Monitor-Systeme. Aber auch klassisch gilt: Die Übersichtlichkeit ist auch dank einiger Zusatzspiegel ausgezeichnet, Rangieren auch in engen Bereichen gelingt immer. Die Cockpitanzeigen sind aus den Reisebussen von Setra oder Mercedes-Benz bekannt (dort auch aus dem neuen Intouro) und gefallen durch ihre Aufgeräumtheit.

Ein echter Kracher sind die neuen Assistenz- und Sicherheitssysteme, die serienmäßig bzw. gegen Aufpreis zu haben sind. Kleine Aufzählung gefällig? Bitteschön:

  • Der intelligente kraftstoffsparende Tempomats Predictive Powertrain Control (PPC)
  • Der Preventive Brake Assist 2, die nächste Generation des weltweit ersten aktiven Bremsassistenten für spezialisierte Linienbusse von Daimler Buses
  • Der Abbiege-Assistent Sideguard Assist 2, der auf beiden Seiten verbaut wird

Der Preventive Brake Assist 2 übrigens arbeitet mit einer Kombination aus Nah- und Fernbereichsradarsensoren sowie einer Kamera und kann dadurch unter anderem auf stationäre und sich bewegende Objekte einschließlich Fußgänger und Zweiradfahrer reagieren. Das System kann mehrere Objekte gleichzeitig verarbeiten. Im Rahmen der Systemgrenzen werden überdies Objekte außerhalb der Fahrbahn wie Verkehrsschilder, parkende Fahrzeuge oder Verkehr auf Nachbar- und Gegenspuren noch besser erkannt und somit Fehlwarnungen minimiert.

Das eher Reisebusorientierte Cockpit C: Daimler Truck AG
Hier lässt sich der Instrumententräger verstellen – wie auch beii Stadtbusse, C: Daimler Truck AG

Zwei Motoren stehen zur Wahl: Der Reihensechszylinder OM 936 mit 7,7 Liter Hubraum steht in zwei Leistungsstufen von 220 kW (299 PS) und 1.200 Nm Drehmoment bzw. 260 kW (354 PS) und 1400 Nm zur Wahl. Das dreiachsige Flaggschiff MultiClass S 518 LE wird durchweg mit dem Reihensechszylinder OM 470 und 10,7 Liter Hubraum ausgestattet. Er leistet 290 kW (394 PS), das Drehmoment beläuft sich auf 1.900 Nm.

Für die Kraftübertragung steht eine breite Auswahl an Getrieben zur Verfügung. Für die zweiachsigen Varianten steht das manuelle Schaltgetriebe GO 190 und das vollautomatisierte Schaltgetriebe GO 250‑8 PowerShift (nur Leistungsstufe 260 kW/354 PS) zur Verfügung. Wünschen Unternehmen eine Wandler-Automatik, wählen diese zwischen dem im Vergleich zum Vorgängermodell verbrauchs- und lebensdaueroptimierten ZF Ecolife 2 mit sechs Schaltstufen und dem neuen Getriebe Voith Diwa NXT mit einem zweiten Overdrive und somit nun sieben Gängen. Beim Dreiachser MultiClass S 518 LE können sich Kunden zwischen dem vollautomatisierten Schaltgetriebe GO 250‑8 PowerShift und der Wandlerautomatik ZF Ecolife 2 entscheiden.

Den Bus wird es auch mit einem Hybrid-Modul geben. Ein scheibenförmiger Elektromotor wird zwischen Motor und Getriebe in den Antriebsstrang integriert. Fährt der Omnibus im Schub- bzw. Bremsbetrieb, arbeitet der E‑Motor als Generator und erzeugt ohne Kraftstoffverbrauch Strom. Die elektrische Energie wird in zwei Speichermodulen auf dem Dach gebunkert, ebenfalls Supercaps. In Belastungssituationen wie zum Beispiel beim Anfahren, unterstützt der 14 kW starke Elektromotor mit der Energie aus den Supercaps den Verbrennungsmotor. Er wird entlastet und verbraucht somit weniger Kraftstoff. Übrigens: Dieses Modul gibt es bereits im Mercedes-Benz Citaro und im Intouro, deswegen sei an dieser Stelle verraten: Man bekommt es nicht mit. Das merkt man ausschließlich an der etwas geringer ausfallenden Dieselrechnung beim Nachtanken. Aber das ist ja schließlich auch was.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert